Wir erleben einen dramatischen Verlust an Tier- und Pflanzenarten. Vor allem der Rückgang von Insekten und Vögeln führt deutlich vor Augen, dass wir in vielen Handlungs- und Politikfeldern grundlegend umsteuern müssen. Besonders dramatisch ist hierbei, dass diese Verluste ebenfalls und ungebremst Schutzgebiete betreffen – und damit die letzten Rückzugsräume für eine große Vielzahl von Arten.
Notwendig ist ein breites Bündel an Maßnahmen, das weit über die Notwendigkeiten hinausreicht, die das Landesnaturschutzrecht fordert. Ob Landesplanung, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bauen, Wirtschaft oder Verkehr: Die Verantwortlichkeiten für einen ambitionierten Artenschutz in Nordrhein-Westfalen sind über verschiedene Landesministerien verteilt. Alle müssen sich ihrer Verantwortung für diese gesellschaftliche Aufgabe stellen und handeln.
Nachfolgend skizzieren wir 8 Handlungsfelder für den Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen. Ziel der Volksinitiative ist es, die geforderten Maßnahmen umzusetzen und verbindlich in die Landesgesetze und die entsprechenden Programme aufzunehmen.
Täglich gehen in Nordrhein-Westfalen rund zehn Hektar Fläche durch neue Wohn- und Gewerbegebiete, Straßenbau, Tagebau, Kies-Abbau und andere Abgrabungen unwiederbringlich verloren. Landschaften werden zerschnitten, angrenzende Lebensräume gestört. Eine Fortsetzung dieses unverantwortlichen Handelns führt unweigerlich zu zusätzlichen irreversiblen Verlusten bei Tier- und Pflanzenarten. Vor allem landwirtschaftliche Flächen gehen ungebremst verloren. Die Pachtpreise steigen stetig an, erschweren eine aus Naturschutzsicht vielerorts gebotene Extensivierung und drücken weitere bäuerliche Betriebe ins wirtschaftliche Aus.
Wir fordern eine neue Landesentwicklungsplanung mit Regelungen und Instrumenten, die verbindlich den Flächenverbrauch im Land bis 2025 auf maximal 5 Hektar pro Tag und bis 2035 ganz auf Null absenken. Nachverdichtung, Erschließung von Industriebrachen (Flächenrecycling), Umnutzungen und Aufstockungen von Wohn- und Gewerbegebäuden müssen gegenüber einer Neuversiegelung deutlich attraktiver werden und Vorrang haben. Das Land hat ein Instrument zu schaffen, das transparent und nachvollziehbar dar- und sicherstellt, dass mit dem Erreichen der genannten Obergrenzen verbindlich keine Neuversiegelung im laufenden Jahr mehr erfolgt.
Naturschutz- und FFH-Gebiete, geschützte Landschaftsbestandteile und gesetzlich geschützte Biotope haben eine herausragende Aufgabe: Sie sollen Lebensräume und ihre Artenvielfalt bewahren und fördern. Trotzdem ist es immer noch zulässig, dass auf Flächen innerhalb von Schutzgebieten Pestizide eingesetzt werden, die dort lebende Insekten und andere Tiere sowie die dort vorkommenden Pflanzen schädigen können. Das muss sich ändern!
Wir fordern ein umfassendes Verbot von chemisch-synthetischen Pestiziden und leichtlöslichen Mineraldüngern in Schutzgebieten. Des Weiteren sollen wirksame Pufferzonen um besonders schützenswerte Flächen mit einer klaren Reduktionsstrategie für Pestizide und Düngemittel eingerichtet werden. Neben schon bestehenden Schutzgebieten sind weitere wichtige Lebensräume, Naturflächen und Arten oder Lebensgemeinschaften dauerhaft zu sichern. In der Umsetzung muss sichergestellt werden, dass Biolandwirten und dem Vertragsnaturschutz hierdurch keine Nachteile entstehen.
Wälder sind unverzichtbare Lebensräume mit eigener Dynamik und einem enormen Inventar an Pflanzen- und Tierarten. Auch als „grüne Lunge” übernehmen sie in Zeiten des Klimawandels wichtige Funktionen für das Allgemeinwohl. Doch 25% der Arten des Waldes sind in Nordrhein-Westfalen bereits gefährdet oder ausgestorben. Wesentliche Ursache für die Gefährdung von geschützten Waldökosystemen in Deutschland ist das bisherige forstliche Management.
Wir fordern, dass das Land Nordrhein-Westfalen in seinen Staatswäldern Vorreiter für eine natürliche Waldentwicklung und Artenvielfalt wird. Dazu müssen kurzfristig mindestens 20% dieser Flächen aus der forstlichen Nutzung genommen werden. Darüber hinaus sollen bis zum Jahr 2030 10% der Gesamtwaldfläche des Landes auch nach Möglichkeit außerhalb des Staatswaldes aus der Nutzung genommen und der Weg dahin durch geeignete Landesprogramme für private und kommunale Waldbesitzer gefördert werden.
Des Weiteren fordern wir, Naturverjüngung statt flächiger Aufforstungen und nur im Bedarfsfall truppweise Anpflanzung standortheimischer Arten und Sorten, den Verzicht auf Pestizide und Kalkungen sowie die Wiedervernässung von Sumpf- und Moorstandorten im Wald und den vollständigen Erhalt von Alt- und Totholz.
Fast die Hälfte der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Über Jahrzehnte hinweg kam es hier zum Verlust von Landschaftsstrukturen und vielfältigen Standortbedingungen. Starke Düngung verdrängt zahlreiche Pflanzenarten auf nährstoffarmen Böden, Insekten und Vögeln fehlen oft Nahrung und Lebensräume. Hinzu kommt großflächig der Einsatz von Pestiziden. Gleichzeitig zeigen sowohl der Ökolandbau wie auch engagierte konventionelle Bäuerinnen und Bauern in ihrer täglichen Arbeit, dass es auch anders geht.
Wir fordern, dass das Land Nordrhein-Westfalen auf den eigenen Flächen Vorreiter für den Erhalt der Artenvielfalt wird. Dazu müssen schnellstmöglich alle Grünland- und Ackerflächen im Eigentum des Landes nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden. Die vom Land betriebenen oder verpachteten Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung (Kantinen etc.) sollen verbindlich und vorrangig Erzeugnisse aus regionalem ökologischen Anbau und regionaler extensiver Weidehaltung beziehen. Dadurch soll auch die von Bauern geforderte stärkere Nachfrage nach umwelt- und tierschutzgerecht erzeugten Lebensmitteln dauerhaft gesteigert werden. Förderprogramme des Landes für Kommunen bei der Gemeinschaftsverpflegung sollen diese ebenfalls als Fördervoraussetzung festschreiben. Insgesamt sollen in Nordrhein-Westfalen bis 2030 25% der Anbauflächen ökologisch bewirtschaftet werden.
Gewässerränder, artenreiche Säume, Wiesen, Weiden, Hecken und weitere Strukturen sind unverzichtbar für die Ausbreitung und Wanderung von Arten und den genetischen Austausch. Sie müssen erhalten, zurückgewonnen und gefördert werden.
Wir fordern, dass das Land Nordrhein-Westfalen ein Netz miteinander verbundener Biotope (Biotopverbund) festsetzt, das bis zum Jahr 2025 mindestens 20% der Landesfläche umfasst. Ein deutlicher Schwerpunkt soll im Offenland liegen.
Bäche, Flüsse und ihre Auen sind als Lebensräume und Wanderkorridore mit ihrer artenreichen und bedeutenden Pflanzen- und Tierwelt besonders schützenswert. Der ökologische Zustand vieler Gewässer ist besorgniserregend. Umfassende Richtlinien zur Verbesserung der Situation werden bisher nicht vollständig umgesetzt und konnten daher diese negativen Entwicklungen nicht umkehren.
Wir fordern, dass Gewässer und Auen besser geschützt und renaturiert werden. Zum Schutz von Flora und Fauna entlang von Gewässern sind bei Grünland und ackerbaulicher Nutzung Randstreifen verbindlich einzuhalten, in denen chemisch-synthetische Pestizide sowie mineralische Dünger und Gülle nicht ausgebracht werden dürfen.
Auch unsere Städte sind wichtiger Lebensraum für die Tier- und Pflanzenwelt. Doch die zunehmende Versiegelung, die künstliche Dauer-Beleuchtung und eine vielen Tierarten abträgliche Architektur greifen immer stärker in die Lebensgemeinschaften ein. Die Lichtverschmutzung führt zu einem erheblichen Rückgang bei Insekten, Millionen Vögel sterben jährlich durch Kollision an Glasfassaden, Mauersegler und Co. finden keine geeigneten Brutplätze mehr. Dabei gilt es, unsere Städte generell grüner und damit lebenswerter zu machen: Nicht nur für mehr Artenvielfalt, sondern auch, um die gravierenden Folgen des menschgemachten Klimawandels abzumildern.
Wir fordern, dass auf Landesebene geeignete Regelungen getroffen werden, die Lichtverschmutzung verbindlich einzudämmen. Über die Landesbauordnung müssen klare Vorgaben zur Vermeidung von Vogelschlag an Glas- und anderen Fassaden verankert werden. Beim Bau neuer Gebäude sind ausreichend Vorkehrungen zu treffen, damit Gebäude-brütende Vogelarten ausreichend Nistmöglichkeiten erhalten. Das Land muss dabei eine Vorreiterrolle übernehmen und die Artenvielfalt an allen eigenen Liegenschaften fördern, zum Beispiel durch Fassaden- und Dachbegrünung sowie Nistkästen. Zudem muss eine Pflicht zur Verabschiedung kommunaler Baumschutzsatzungen ins Landesnaturschutzgesetz aufgenommen sowie ein verbindlicher Ausschluss sogenannter Schottergärten in der Landesbauordnung verankert werden.
Der Truppenübungsplatz Senne gehört zu den artenreichsten Naturgebieten in Nordrhein-Westfalen. Offene Heideflächen, Sandmagerrasen, Moore, Auen- und Kiefernwälder sowie naturnahe Bäche auf einer Fläche von über 10.000 Hektar prägen das Gebiet mit seiner europaweit herausragenden Fauna und Flora. Zahlreiche besonders gefährdete Arten haben hier ihre letzten Vorkommen in NRW oder in Deutschland. 1991 beschloss der Landtag einstimmig, nach Beendigung der militärischen Nutzung einen Nationalpark Senne einzurichten. 2016 hat die Landesregierung dieses Ziel im Landesentwicklungsplan festgeschrieben, im Jahr 2019 jedoch wieder gestrichen.
Wir fordern, diesen unverantwortlichen Rückschritt im Landesentwicklungsplan zu korrigieren und aktiv darauf hinzuwirken, diesen Hotspot der Biodiversität in NRW dauerhaft für Naturschutz und Artenvielfalt zu sichern.
Unterschriftenbogen der Volksinitiative
Der Unterschriftenbogen der Volksinitiative Artenvielfalt NRW mit den Forderungen zum Nachlesen.