Volksinitiative: Schwarz-Gelb ignoriert Stimmen für mehr Artenvielfalt

Düsseldorf – Mit Unverständnis reagieren die nordrhein-westfälischen Landesverbände des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und des Naturschutzbund Deutschland (NABU) auf den gestrigen Beschluss des Umweltausschusses zur Ablehnung der Volksinitiative Artenvielfalt NRW. Damit werde die Chance verpasst, zum Ende der Legislaturperiode etliche Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu korrigieren und die Weichen für mehr Artenvielfalt in NRW zu stellen.

Gestern hatte die Mehrheit aus CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen der Volksinitiative eine Absage erteilt. Für deren Initiatoren ist dies „ein Schlag ins Gesicht von mehr als 115.000 NRW-Bürger*innen, die vom Landtag die Verabschiedung eines Handlungsprogramms Artenvielfalt NRW eingefordert hatten.“ Angesichts des fortschreitenden Artenschwundes und des weiter ungebremsten Flächenfraßes sei dies ein „naturschutzpolitischer Offenbarungseid“.

BUND, LNU und NABU hatten mit der Volksinitiative Artenvielfalt NRW acht zentrale Handlungsfelder für mehr Artenvielfalt aufgezeigt und einen grundsätzlichen Politikwechsel eingefordert. Ob in der Gewässerschutz- oder Waldpolitik, ob beim Stadtnaturschutz oder der Landesplanung – überall hätten CDU und FDP sich mit dem gestrigen Beschluss klar für ein „Weiter so wie bisher“ entschieden. Damit müssten die Mehrheitsfraktionen aber auch die Verantwortung für den zunehmenden Verlust an Artenvielfalt und die ökologische Verarmung in NRW übernehmen. Die Naturschutzverbände kündigten an, trotz der „akuten Enttäuschung“ weiter für die Inhalte der Volksinitiative zu kämpfen. „Die Landtagswahl am 15. Mai 2022 ist nicht nur eine Klimawahl, dann wird auch über den Ausweg aus der Biodiversitätskrise entschieden.“  

Vorreiter für Wildnis und Artenvielfalt: 20 Prozent Staatswälder der natürlichen Entwicklung überlassen

Düsseldorf | Die nordrhein-westfälischen Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und Naturschutzbund Deutschland (NABU) fordern eine klare Ausrichtung der NRW-Waldpolitik auf naturnahe und lebendige Wälder. Der heute vorgelegte Waldzustandsbericht dokumentiere einmal mehr auch das politische Versagen der Landesregierung. Die Naturschutzverbände fordern, dass das Land NRW in den eigenen Staatswäldern Vorreiter für eine natürliche Waldentwicklung werden müsse.

Buchenwald gemischten Alters, Foto: Merle Loges

Hierzu gehöre insbesondere das Einräumen gänzlich ungestörter Bereiche und das Zulassen einer natürlichen Waldentwicklung. Für die mehrheitlich in kommunalem und Privateigentum stehenden Wälder in NRW gelte es parallel gute Förderprogramme zu entwickeln, um positive Anreize zu schaffen und möglichst viele Waldbauern auf diesem Weg mitzunehmen. Auch im Wald gäbe es Naturschutz nicht zum Nulltarif. In ihrer gemeinsamen Volksinitiative „Insekten retten – Artenschwund stoppen – Artenvielfalt NRW“ legen die Verbände konkrete Handlungsvorschläge für ‚naturnahe und wilde Wälder‘ vor.

Fast ein Drittel der Landesfläche ist von Wald bedeckt, doch nur wenige Wälder werden naturnah bewirtschaftet oder ganz der natürlichen Entwicklung überlassen, mit massiven Auswirkungen auf die Biodiversität. 78 Prozent der heimischen Waldökosysteme sind in ihrem Fortbestand bedroht, 25 Prozent der Arten des Waldes sind in NRW bereits gefährdet oder ausgestorben. „Häufig eine Ursache des bisherigen forstlichen Managements, wie großflächige Aufforstung mit nicht-heimischen Nadelbäumen, zu frühe Ernte und Verlust von Altbäumen und den speziell hieran gebunden Pflanzen, Tieren, Pilzen und Moosen. Die Folgen dieser intensiven Waldwirtschaft treten durch den Klimawandel in den letzten Jahren nur noch deutlicher zu Tage“, kritisiert Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe hier umzusteuern. „Wir benötigen wieder echte Waldökosysteme und müssen den Raum dafür geben, dass diese sich entwickeln und stabilisieren können“, so Naderer.

 „Die Landesregierung hat es in der Hand: Um voran zu kommen, sollten kurzfristig mindestens 20 Prozent des Staatswaldes aus der Nutzung genommen werden. Darüber hinaus fordern wir, dass bis zum Jahr 2030 10 Prozent der Gesamtwaldfläche des Landes und auch Flächen außerhalb des Staatswaldes aus der Nutzung genommen werden“, so der BUND-Landeschef Holger Sticht. Den Weg dahin müsse das Land durch gute Programme für private und kommunale Waldbesitzer ebnen. Hierdurch entstünde eine echte Win-Win-Situation für artenreichen Wälder wie auch für die Waldbauern selber.

„Zum einen leiden unsere Wälder unter dem Klimawandel, zum anderen tragen sie bei einer naturnahen Wirtschaftsweise und Holzproduktion aber auch erheblich zum Klimaschutz bei. Deshalb gilt es Wälder klimastabiler und anpassungsfähiger zu machen“, so der LNU-Vorsitzende Mark vom Hofe. Stabile Waldökosysteme seien für den Klimawandel gut gewappnet. Der Waldbau müsste deshalb stärker auf Naturverjüngung statt flächiger Aufforstung setzen. Nur im Bedarfsfall sollten Anpflanzungen standortheimischer Arten und Sorten erfolgen, so die Forderung der Naturschutzverbände.  Zudem sei auf den Einsatz von Pestiziden und Kalkungen im Waldbau zu verzichten, Sumpf- und Moorstandorte im Wald müssten wieder vernässt und Alt- und Totholz erhalten werden.