115.000 Stimmen für die Volksinitiative Artenvielfalt

Düsseldorf – Fast ein Jahr lang haben die NRW-Landesverbände des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW (LNU) und des Naturschutzbundes (NABU) Unterschriften für ihre ‚Volksinitiative Artenvielfalt NRW‘ gesammelt. Mit Erfolg: Unterstützt von einem breiten Bündnis aus fast 100 Organisationen und einem enormen ehrenamtlichen Engagement ist es gelungen, weit über das gesetzliche Quorum von rund 66.000 Unterschriften hinaus die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen. 115.035 Bürgerinnen und Bürger gaben der Volksinitiative – unter von der Corona-Pandemie diktierten Bedingungen – ihre Stimme. Mit diesem Rückenwind setzen die Naturschutzverbände den dramatischen Verlust an Pflanzen- und Tierarten als existentielle Herausforderung auf die Agenda des Landtags und legen konkrete Vorschläge für ein ‚Handlungsprogramm Artenvielfalt NRW‘ vor. Aus Sicht der Verbände eröffnet sich hiermit eine Riesenchance, den Natur- und Artenschutz in NRW umfassend in allen relevanten Handlungsfeldern der Landespolitik umzusetzen. Das Land NRW stehe vor einer Wegmarke: Weiter-so unter Inkaufnahme des weiteren Niedergangs oder konsequentes Umsteuern? Am heutigen Donnerstag überreichten die Initiatoren die Unterschriften an Landtagspräsident André Kuper. Der Landtag muss nun innerhalb von drei Monaten die Rechtmäßigkeit der Volksinitiative feststellen und binnen drei weiterer Monate die Forderungen der Initiative abschließend behandeln.

Einreichung der Volksinitiative Artenvielfalt NRW, Foto: Jörg Farys
Foto v.l.: Heide Naderer, Mark vom Hofe, Holger Sticht; Jörg Farys

Dr. Heide Naderer, NABU-Landesvorsitzende: „Der Erhalt der Artenvielfalt ist wie der Klimaschutz eine Zukunftsfrage ersten Ranges. Das Artensterben treibt die Menschen um, sie spüren, dass sich hier vieles sichtbar und teils auch schon unwiederbringlich verlorengegangen ist. Die Unterstützung unserer Initiative kommt aus allen Regionen des Landes gleichermaßen, aus Großstädten wie aus dem ländlichen Raum. Aus jeder der 396 NRW-Kommunen haben wir Unterschriften erhalten. Wir sehen uns bestärkt und danken allen, die trotz schwierigster Rahmenbedingungen während der Corona-Pandemie mit Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Veranstaltungsverboten unter strikter Beachtung der Schutzvorschriften tatkräftig bei der Unterschriftensammlung mitgeholfen haben. Das war unter diesen Umständen ein großer Kraftakt, der angesichts dieser dringenden Fragen aber zwingend notwendig war. Und es hat sich gelohnt.“

Holger Sticht, BUND-Landesvorsitzender: „Wir haben unser erstes Ziel erreicht: Wir setzen die Artenvielfalt auf die Tagesordnung des Parlaments. Ob Flächenfraß, Pestizide in Schutzgebieten, naturverträgliche Landwirtschaft oder Schottergärten: Die Landesregierung hat den Schutz der biologischen Vielfalt bis heute nicht ernsthaft auf der Agenda und führt ihr mit ihrer Politik vielfach massiven Schaden zu. Wir legen mit unserer Volksinitiative dem Landtag jetzt konkrete Vorschläge vor und zeigen auf, was die eigentlichen Aufgaben sind. Viel zu viel Zeit ist unnütz verstrichen, wir brauchen endlich entschlossenes Handeln, konkrete Beschlüsse und ein verbindliches Umsetzen in Landesgesetze und Förderprogramme.“

Mark vom Hofe, LNU-Vorsitzender: „Dies ist die erste Naturschutz-Volksinitiative in der Geschichte des Landes. Wir sehen uns in einer Reihe mit den Insektenschutz- und Artenvielfaltsinitiativen in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachen und Brandenburg. Überall dort, wo ähnliche Volksbegehren oder Volksinitiativen auf den Weg gebracht haben, sind in der Folge wichtige Debatten entstanden und kam es bei aller Unterschiedlichkeit im Detail zu konkreten Beschlüssen und Veränderungen. Das ist unser Ansporn und Ziel auch für NRW. Wir lernen aus den Erfahrungen auch: Ohne diesen Druck und den Weg der direkten Demokratie geschieht leider fast nichts. Die Landesregierung kommt nicht von allein auf die Idee, diese durchaus komplexen Themenfelder von sich aus angemessen zu bearbeiten und einen Kurswechsel einzulegen.“

NRW-Naturschutzverbände starten Endspurt zur Volksinitiative

Düsseldorf – Mit einer Aktion vor dem Landtag in Düsseldorf haben die drei großen NRW-Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und Naturschutzbund Deutschland (NABU) heute den Endspurt zur Volksinitiative Artenvielfalt NRW eingeläutet. Bis zum 1. Juni wollen Initiator*innen und Unterstützer*innen der Volksinitiative noch möglichst viele Unterschriften sammeln. Nach Bestätigung durch die Einwohnermeldeämter werden die Unterschriftenlisten dann am 1. Juli dem Landtagspräsidenten überreicht. Danach muss sich der NRW-Landtag mit dem Handlungsprogramm der Volksinitiative beschäftigen.

„Mit fast 95.000 Unterschriften liegen wir bereits jetzt deutlich über der geforderten Anzahl von 66.000 Unterschriften, aber wir wollen mehr. Wir wollen mehr als 100.000 Stimmen sammeln und so ein deutliches Signal für notwendige Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt an die von Ministerpräsident Laschet geführte Landesregierung senden“, erklärte Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW. „Deshalb rufen wir alle Bürgerinnen und Bürger noch einmal auf, sich mit ihrer Unterschrift für ein lebenswertes Nordrhein-Westfalen einzusetzen.“ Das Ziel sei es, dringend notwendige, qualitative Verbesserungen für die Natur in Nordrhein-Westfalen zu erreichen. Da zähle jede Stimme!

„Die Landesregierung ist nicht ansatzweise gewillt, dem dramatischen Artenschwund ein Handlungsprogramm entgegen zu setzen“, sagte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht. “Stattdessen werden selbst die wenigen positiven Impulse der Bundesebene noch sabotiert. Dieser Landesregierung ist der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen egal. Wir setzen deshalb mit unserer Volksinitiative auf mehr Druck aus dem Parlament.“

„Die Sicherung unserer Lebensgrundlagen darf keine Nebensache bleiben. Sie gehört ins Zentrum der Politik“, sagte der LNU-Landesvorsitzende Mark vom Hofe. In dieser Hinsicht seien die Erfahrungen mit der schwarz-gelben Landesregierung bislang eher ernüchternd. „Bayern, Baden-Württemberg, das Saarland und Niedersachsen haben vorgemacht, was möglich ist, wenn man sich an einen Tisch setzt. Auch hier wäre für den Artenschutz sicherlich viel zu erreichen“, so vom Hofe weiter.

Vorreiter für Wildnis und Artenvielfalt: 20 Prozent Staatswälder der natürlichen Entwicklung überlassen

Düsseldorf | Die nordrhein-westfälischen Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und Naturschutzbund Deutschland (NABU) fordern eine klare Ausrichtung der NRW-Waldpolitik auf naturnahe und lebendige Wälder. Der heute vorgelegte Waldzustandsbericht dokumentiere einmal mehr auch das politische Versagen der Landesregierung. Die Naturschutzverbände fordern, dass das Land NRW in den eigenen Staatswäldern Vorreiter für eine natürliche Waldentwicklung werden müsse.

Buchenwald gemischten Alters, Foto: Merle Loges

Hierzu gehöre insbesondere das Einräumen gänzlich ungestörter Bereiche und das Zulassen einer natürlichen Waldentwicklung. Für die mehrheitlich in kommunalem und Privateigentum stehenden Wälder in NRW gelte es parallel gute Förderprogramme zu entwickeln, um positive Anreize zu schaffen und möglichst viele Waldbauern auf diesem Weg mitzunehmen. Auch im Wald gäbe es Naturschutz nicht zum Nulltarif. In ihrer gemeinsamen Volksinitiative „Insekten retten – Artenschwund stoppen – Artenvielfalt NRW“ legen die Verbände konkrete Handlungsvorschläge für ‚naturnahe und wilde Wälder‘ vor.

Fast ein Drittel der Landesfläche ist von Wald bedeckt, doch nur wenige Wälder werden naturnah bewirtschaftet oder ganz der natürlichen Entwicklung überlassen, mit massiven Auswirkungen auf die Biodiversität. 78 Prozent der heimischen Waldökosysteme sind in ihrem Fortbestand bedroht, 25 Prozent der Arten des Waldes sind in NRW bereits gefährdet oder ausgestorben. „Häufig eine Ursache des bisherigen forstlichen Managements, wie großflächige Aufforstung mit nicht-heimischen Nadelbäumen, zu frühe Ernte und Verlust von Altbäumen und den speziell hieran gebunden Pflanzen, Tieren, Pilzen und Moosen. Die Folgen dieser intensiven Waldwirtschaft treten durch den Klimawandel in den letzten Jahren nur noch deutlicher zu Tage“, kritisiert Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe hier umzusteuern. „Wir benötigen wieder echte Waldökosysteme und müssen den Raum dafür geben, dass diese sich entwickeln und stabilisieren können“, so Naderer.

 „Die Landesregierung hat es in der Hand: Um voran zu kommen, sollten kurzfristig mindestens 20 Prozent des Staatswaldes aus der Nutzung genommen werden. Darüber hinaus fordern wir, dass bis zum Jahr 2030 10 Prozent der Gesamtwaldfläche des Landes und auch Flächen außerhalb des Staatswaldes aus der Nutzung genommen werden“, so der BUND-Landeschef Holger Sticht. Den Weg dahin müsse das Land durch gute Programme für private und kommunale Waldbesitzer ebnen. Hierdurch entstünde eine echte Win-Win-Situation für artenreichen Wälder wie auch für die Waldbauern selber.

„Zum einen leiden unsere Wälder unter dem Klimawandel, zum anderen tragen sie bei einer naturnahen Wirtschaftsweise und Holzproduktion aber auch erheblich zum Klimaschutz bei. Deshalb gilt es Wälder klimastabiler und anpassungsfähiger zu machen“, so der LNU-Vorsitzende Mark vom Hofe. Stabile Waldökosysteme seien für den Klimawandel gut gewappnet. Der Waldbau müsste deshalb stärker auf Naturverjüngung statt flächiger Aufforstung setzen. Nur im Bedarfsfall sollten Anpflanzungen standortheimischer Arten und Sorten erfolgen, so die Forderung der Naturschutzverbände.  Zudem sei auf den Einsatz von Pestiziden und Kalkungen im Waldbau zu verzichten, Sumpf- und Moorstandorte im Wald müssten wieder vernässt und Alt- und Totholz erhalten werden.